Globales Superwahljahr 2024: Worauf Sie vorbereitet sein müssen
5. Februar 2024
Spätestens seit Februar 2022 sind sich international tätige Unternehmen und Entrepreneure schmerzhaft bewusst, dass politische Risiken wesentlich sind. Man weiss aus der Verhaltensforschung, dass Menschen Ereignisse unterschätzen, die unwahrscheinlich sind, aber grosse Auswirkungen haben. Neben den gewaltigen Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen, verändern solche Ereignisse auch das Geschäftsumfeld vieler Unternehmen massiv – auch in unbeteiligten Jurisdiktionen.
2024 wird für Anhänger von Demokratie und Rechtstaat nervenaufreibend. Gleich mehreren Wahlen rund um den Globus werden eine Neueinschätzung der (geo-)politischen Risiken aller Akteure erfordern: Staaten, Individuen, wirtschaftlich tätige Unternehmen, Stiftungen und wohltätige Organisationen.
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Der Reigen begann bereits am 13. Januar. In Taiwan hat der Kandidat der seit acht Jahren in Taiwan regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), Lai Ching-te, die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Lai ist Chinas Präsident Xi Jinping nicht genehm, da sich der frisch gewählte Präsident deutlich für die Unabhängigkeit Taiwans ausspricht. Seine Konkurrenten der Kuomintang und der Taiwanischen Volkspartei wären Xi lieber gewesen. Diese stehen für eine Annäherung an China stehen. Nach der Wahl hat der chinesische Präsident seinen Unwillen klar zum Ausdruck gebracht. Zur Erinnerung: Er hat es zu seinem Ziel gemacht, Taiwan mit Festlandchina zu vereinen – wenn nötig auch mit Gewalt. Mit welchen Entwicklungen müssen wir nun rechnen? Ein Krieg hätte weltweite Auswirkungen. Taiwan ist der weltweit grösste Produzent von Mikrochips. Eine Invasion könnte ausserdem ein Eingreifen der USA und einen Krieg zwischen den USA und China auslösen – mit gewaltigen geopolitischen Auswirkungen.
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Am 14. Februar wird die drittgrösste Demokratie der Welt einen neuen Präsidenten, ein neues nationales Parlament und diverse regionale Gouverneure und Parlamente wählen. Der äussert populäre Joko Widodo muss nach zwei Amtszeiten zurücktreten. Der klare Favorit für die Präsidentschaft ist Prabowo Subianto, ein ehemaliger Generalleutnant. Er verspricht, das Erbe Joko Widodos zu bewahren – besonders dessen wirtschaftspolitischen Prioritäten. Davon abgesehen will er sich mit einer ausgeprägt nationalistischen Note für Sicherheit und Verteidigung einsetzen. Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft hat Subianto Gibran Rakabuming Raka, den ältesten Sohn Widodos, aufgestellt. Autoritäre und dynastische Züge der Kandidaten sind schwer zu leugnen.
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Trotz den Massenprotesten, die der Tod von Mahsa Amini im September 2022 auslöste, ist von diesen Wahlen keine Änderung zu erwarten. Die Proteste wurden niedergeschlagen und sind seither versiegt. Es ist zu erwarten, dass Kandidaten, die den aktuellen Machthabern nicht genehm sind, von der Wahl ausgeschlossen werden. Iran mischt kräftig in der Geopolitik mit durch seine Unterstützung der Hamas im Gazastreifen und den Huthirebellen in Jemen. Das Ziel ist regionale Hegemonie. Daran wird die Wahl im März sicher nichts ändern.
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Niemand zweifelt daran, dass Vladimir Putin für eine fünfte Amtszeit gewählt wird. Die etwa dreissig anderen offiziellen Kandidaten haben keine Chance. Die Konkurrenten, die Putin hätten gefährlich werden können sind längst im Exil oder im Gefängnis. Welche Auswirkungen sind von seiner Wiederwahl auf den Krieg in der Ukraine zu erwarten? Wird er sein voraussichtlich ausgezeichnetes «Wahlergebnis» zu einer weiteren Intensivierung der Kriegsbemühungen nutzen, wie zum Beispiel mit einer Generalmobilmachung? Oder wird er im Gegenteil nach den Wahlen mit gestärktem Rücken einen Ausweg suchen?
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Der amtierende Regierungschef Narendra Modi gute Chancen auf eine weitere Amtszeit. Das Regime in Indien zeigt unter Modi und seiner hindu-nationalistischen Partei BJP immer autoritärere Züge. Die grösste Oppositionspartei, die Kongresspartei, hat sich zwar mit weiteren Oppositionsparteien zu einer breiten Allianz zusammengeschlossen. Gut stehen ihre Chancen aber auch so nicht. Der Kurs der Regierung Modi blieb bisher zwar wirtschaftsfreundlich. In autoritär-populistischen Regimes gibt es aber keine Garantie, dass dies so bleibt. Im Gegenteil: Wissenschaftler der Universität Bonn und des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zeigen in der renommierten Fachzeitschrift American Economic Review, dass eine populistische Regierung die Bürger eines Landes über einen Zeitraum von 15 Jahren durchschnittlich zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf kostet. Sie führen dies auf die mit populistischer Herrschaft einhergehende wirtschaftliche Desintegration, die abnehmende makroökonomische Stabilität und die Erosion der Institutionen zurück.
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Vor dreissig Jahren wählte Südafrika begeistert Nelson Mandela, den ersten Präsidenten des African National Congress (ANC) Mehr als 80% der Wahlberechtigten gingen zum Ende der Apartheit begeistert an die Urnen. Heute werden keine 50% erwartet. Wegen Korruption und Kriminalität – Südafrika rangiert auf dem Korruptions-Perzeptions-Index von Transparency International auf Rang 83 von 180 – wenden sich die Südafrikaner von der Politik ab. Es wächst die Sehnsucht nach einem autoritären Präsidenten, der für Ordnung sorgt. Mangels klarer Alternativen wird der amtierende Präsident Cyril Ramaphosa wohl ohne Begeisterung wiedergewählt. Die Frage ist aber, in welche Richtung sich das Land über dessen Präsidentschaft hinaus weiter¬entwickelt.
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Eines steht fest: der nächste Präsident Mexicos wird eine Frau sein. Für das Amt bewerben sich Claudia Sheinbaum und Xochitl Galvez. Sheinbaum ist ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt und eine Protegée des aktuellen populistischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. Galvez stützt sich auf eine Koalition von Oppositionsparteien. Beide versprechen eine wirtschaftsfreundlichere Politik als diejenige ihres Vorgängers. Aber versprechen heisst nicht unbedingt halten. Es ist fast sicher, dass Claudia Sheinbaum das Rennen machen wird. Nicht nur die Präsidentschaftswahlen sind zu beachten. Die Mexikaner werden auch die beiden Kammern des Kongresses sowie neun Gouverneure der Bundesstaaten, mehrere lokale Parlamente und andere lokale Ämter neu wählen. Hier gilt es, die Auswirkungen der Gesamtheit der Wahlen einzuschätzen.
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400 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger werden das Europäische Parlament mit seinen 720 Abgeordneten neu wählen. Von dieser Wahl hängt auch ab, wer die Europäische Kommission präsidieren wird.
Nachdem in mehreren Ländern der EU nationalistische Parteien zulegen konnten, ist zu erwarten, dass auch das EU-Parlament in diese Richtung rücken wird. So ist damit zu rechnen, dass die rechts-nationale Fraktion «Identité et Démocratie» (ID) Sitze hinzugewinnt. «Europe Elects», eine Informations-Plattform rund um verifizierbare Wahldaten, schätzt, dass sie drittstärkste Kraft im EU-Parlament werden könnte. Ein EU-Parlament, das gegen die EU ist? Kaum, denn auch so bliebe ihr Anteil unter 15% der Sitze. Aber die anderen Gruppierungen werden deutlich mehr Koordinationsbedarf haben.
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Die für die Welt bedeutendste Wahl ist die Präsidentschaftswahl in den USA. Nach dem Sieg von Donald Trump bei den Vorwahlen in New Hampshire zeichnet sich immer deutlicher ein Remake von Trump versus Biden ab. Die Ausgangslage ist, dass beide Kandidaten aufgrund ihres hohen Alters wenig populär sind. Joe Biden wirkt bei seinen Auftritten manchmal wackelig. Donald Trump macht oft einen verwirrten Eindruck. An der Strategie des Letzteren, der autoritären Einschüchterung, Bedrohung und Herabsetzung aller, die ihn nicht unterstützen, ändert das aber nichts. Die Erfahrung zeigt, dass autoritäre Politiker am Ende das tun, was viele als übertriebene Propaganda abtun. Die Beweise sind überwältigend: Donald Trump hat im Januar 2021 mit allen Mitteln versucht, die Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden im US-Senat zu verhindern. Am ersten Tag als Präsident werde er ein Diktator sein, verspricht er heute. Seine Agenda 2025 klingt verdächtig nach einem Plan zur Übernahme der Institutionen, wie ihn Polen und Ungarn und noch schlimmere Beispiele in der Vergangenheit vorgemacht haben.
Würden die Institutionen der Vereinigten Staaten seinen erneuten Versuchen standhalten? Sicher ist, dass seine Präsidentschaft die Allianz mit den Europäischen Partnern – NATO und EU neu bewerten würde. Was würde «America First» ohne Europa bedeuten? Was würde es für die internationale liberale Ordnung bedeuten, welche die USA mit seinen Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg aufgebaut hat? Was wäre eine alternative Ordnung?
Sicher ist: Im neuen Zeitalter der alles bestimmenden Geopolitik lässt sich Business und Politik nicht mehr trennen.
Was ist zu tun?
Es ist zu befürchten: die Welt nach 2024 wird weniger demokratisch und populistischer sein. Die Fragmentierung der Wirtschaftsräume mit weniger Freihandel und mehr Industriepolitik ist absehbar. Als Unternehmen, Entrepreneur und Individuum müssen Sie für das Unvorhersehbare vorbereitet sein. Die Entwicklung von Szenarien mit dazugehörenden Strategien können Ihnen helfen, sich in jeder Welt zurechtzufinden. Entwickeln Sie realistische Szenarien mit allen Facetten, die sie mit sich bringen. Entwickeln Sie darauf aufbauend Strategien, mit welchen Sie in den verschiedenen Szenarien geschäftlich und persönlich prosperieren können.
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